Drei Fragen an Holger Reichard und Karsten Weyershausen zu ihrer Anthologie »Die Entdeckung Amerikas«.

Für die Anthologie »Die Entdeckung Amerikas« trommelten die Herausgeber Holger Reichard und Karsten Weyershausen eine »All Star Band« (SUBWAY Magazin) zusammen, um amerikanische Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu porträtieren. Reichard arbeitet als freier Buchautor, Blogger und Webgestalter. Er ist Initiator und Mitautor des Literaturblogs wortmax und betreibt seit 2003 die deutschsprachige Website des US-Schriftstellers T.C. Boyle (www.tcboyle.de). Weyershausen ist als freier Autor, Cartoonist und Illustrator tätig. Er zeichnet für Magazine (u. a. »Nebelspalter«, »Eulenspiegel«), entwirft Storyboards und Sympathiefiguren, unterrichtet an der Sommerakademie Marburg und ist an diversen Ausstellungen beteiligt. In »Die Entdeckung Amerikas« tauchen nicht nur Namen wie Paul Auster, Raymond Chandler, Stephen King und Jack Kerouac auf. Es sind auch in unserem Sprachraum eher unbekannte Autorinnen, wie Tomi Adeyemi, Chimamanda Ngozi Adichie und Audrey Niffenegger dabei.

Liebeserklärungen an ein US-Schriftstelleridol verfassen. Es gibt sicherlich unzählige Aufgaben, zu denen man Autorinnen und Autoren stärker motivieren muss. Was waren eure Vorgaben? Ihr hattet ja sicher schon eine Idee, was in den Texten alles stecken sollte.

Weyershausen: Besonders wichtig war uns, dass sich die Beiträge nicht wie ein Wikipedia-Eintrag lesen. Das bedeutet vor allem, dass etwas von der eigenen Biografie auftauchen sollte. Uns war es wichtig aufzuzeigen, in welcher Station unseres Lebens wir uns selbst befanden, als wir unsere Lieblingsautorinnen und -autoren entdeckten. Das ist besonders bei Ulrich Tepelmann oder Renate Bojanowski interessant.

Reichard: In der Tat: Ulrich Tepelmann schreibt, wie er zu Beginn der 70er Jahre auf den Spuren von Jack Kerouac die USA bereiste, zu einer Zeit also, als die Jugend hierzulande noch stark damit beschäftigt war, den Mief der 50er und 60er Jahre abzuschütteln und sich vom engen Korsett der Nachkriegszeit zu befreien. Die Lektüre von On the Road war da sehr hilfreich. Renate Bojanowski hingegen begeisterte sich für die Kriminalromane von Raymond Chandler. Das Interessante daran: sie wuchs in der DDR auf, wo Literatur aus den USA nicht wirklich willkommen war.

Bei der riesigen Bandbreite der vorgestellten Autorinnen und Autoren. Gibt es für euch, außer der gemeinsamen Staatsangehörigkeit bzw. Wirkungsstätte, verbindende Elemente zwischen H.P. Lovecraft, Tomi Adeyemi oder Thomas Pynchon bzw. ihren Werken?

Reichard: Mir fallen auch nach längerem Nachdenken keine ein. Wenn es weitere verbindende Elemente gibt, lassen sich diese wohl immer auf die gemeinsame Wirkungsstätte zurückzuführen. Ich bin in den 70er Jahren mit amerikanischen Spielfilmen und TV-Serien groß geworden, habe diese quasi mit der Muttermilch eingesogen, und fühle mich wohl deshalb besonders zu Schriftstellerinnen und Schriftsteller hingezogen, die in den USA leben und/oder darüber schreiben. Ganz gleich, ob Klassiker oder literarische Neuentdeckung. Die jüngeren Generationen sind mit ihrer kulturellen Prägung und ihren Interessen heute natürlich sehr viel breiter aufgestellt und haben auch eine viel größere Auswahl. Aber noch immer ist der kulturelle Einfluss der USA auf uns höher als beispielsweise der unserer direkten europäischen Nachbarn.

Weyershausen: Ich glaube, dass die USA schon immer eine viel größere Nähe zum Entertainment hatte, als beispielsweise Europa. Das schlägt sich auch in der Literatur nieder. Die Stoffe dort sind oft plakativer, als die der europäischen Kollegen. Vor allem ist der Hang zur Selbstinszenierung ausgeprägter. Schriftsteller wie Norman Mailer oder Truman Capote waren schillernde Persönlichkeiten, die es liebten, im Rampenlicht zu stehen. Selbst ein Charles Bukowski war eifrig bemüht, an der eigenen Legende als Gossenpoet zu stricken. So etwas ist in Deutschland noch immer relativ selten.

Ihr selber habt T.C. Boyle, Michael Chabon und Harlan Ellison vorgestellt. In einem Satz – was fasziniert euch so sehr an diesen Autoren und ihrem Werk?

Reichard: Bei T.C. Boyle ist es die Verbindung von anspruchsvoller Literatur und bester Unterhaltung – das muss sich nicht ausschließen.

Weyershausen: Harlan Ellison ist mit all seiner Widersprüchlichkeit als Person mindestens ebenso interessant wie sein Werk. Michael Chabon dagegen behandelt genau die Themen, die mich auch interessieren – und das in einem einzigartigen Schreibstil, der einfach nur Spaß macht.

Der Artikel wurden übernommen von der Website des Verlags Andreas Reiffer.
Foto: Maic Ullmann